Runder Tisch zum Thema Willkommenskultur und Wertediskussion
Am 13. Februar 2017 fand im Gemeindesaal der St. Gertrud-Gemeinde ein weiterer, von „Gertrud hilft“ veranstalteter, Runder Tisch statt, diesmal mit dem Themenschwerpunkt Willkommenskultur und Wertediskussion. Das Ziel der Veranstaltung war herauszufinden, wie Integration trotz unterschiedlicher religiöser und gesellschaftlicher Werte gelingen kann.
„Gertrud hilft“ konnte für dieses Thema zwei Experten als Referenten und „Inputgeber“ gewinnen: Mara Sommerhoff und Dr. Dirk Hauer. Frau Sommerhoff leitet am Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung das Referat Gesellschaft. Unter ihrer Redaktionsleitung ist der Ordner „Miteinander leben – Grundrechte vertreten – Gesellschaft gestalten“ entstanden, der Unterrichtsmaterialien zum Thema Wertebildung enthält. Dr. Dirk Hauer ist Spezialist für den Themenkomplex „Migration und Existenzsicherung“ und Fachbereichsleiter beim Diakonischen Werk Hamburg.
Frau Sommerhoff fragte zunächst die über 50 Teilnehmer, welche Werte für jeden Einzelnen wichtig sind. Heraus kam, dass es gemeinsame Werte gibt, aber mehrheitlich auch sehr unterschiedliche. In der Diskussion darüber wurde deutlich, dass es bereits unter Deutschen nicht nur verschiedene Wertevorstellungen, sondern zusätzlich auch noch differierende Prioritäten gibt. Aber: Wir haben aufgrund unseres demokratischen Grundverständnisses gelernt, diese Differenzen zu tolerieren, sie zu respektieren und sie in unser tägliches Miteinander zu integrieren.
Nicht anders geht es den Geflüchteten. Allerdings kommen sie häufig aus Staaten, die keine demokratische Grundordnung haben. Stattdessen müssen sie eine starke religiöse Prägung und Einmischung in staatliche und private Belange erleben. Dies trägt dazu bei, dass andere Werte-Prioritäten gesetzt werden und sich in Teilen auch andere Vorstellungen herausgebildet haben.
An diesem Diskussionspunkt angekommen, stellte Herr Dr. Hauer die These auf, dass eine Wertediskussion unnötig ist. Wie deutlich wurde, haben alle Menschen – egal ob aus derselben oder aus anderen Nationen stammend – unterschiedliche Werte. Unsere Gesetze regeln das Zusammenleben von Menschen mit unterschiedlichen Werten. Wir sind ein demokratischer Rechtsstaat, der eben gerade nicht voraussetzt, dass alle den gleichen Werten folgen.
Was wir von den Geflüchteten erwarten müssen ist, dass sie sich an unsere Gesetze halten. Als Beispiel wurden die Sylvestervorfälle in Köln genannt: Die Taten wurden nicht begangen, weil es in den Heimatländern der Männer Konsens ist, Frauen in der Öffentlichkeit „betatschen“ zu können. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Taten sind geschehen, weil die Täter glaubten, sich nicht an Gesetze halten zu müssen. In der Arbeit mit Geflüchteten ist es somit wichtig, sie mit unseren Gesetzen und Verhaltensregeln sowie mit der Tatsache vertraut zu machen, dass religiöse Vorschriften in unserem Land nicht über den Gesetzen stehen.
An dieser Stelle meldete sich Ronald Bücker zu Wort, der als Ehrenamtlicher in der Folgeunterkunft Kiwittsmoor für die Arbeitsgruppe „Tipps/Regeln/Werte/Vorstellung – Wie funktioniert Deutschland?“ zuständig ist. Er hat seit Ende 2015 bereits 12 Veranstaltung für insgesamt mehr als 100 Geflüchtete durchgeführt – u. a. zu den Themen „Begrüßung, Umgang und Höflichkeit“, „Persönliche Freiheiten und Regeln im Zusammenleben“, „Schutz von Natur und Umwelt“, „Gleichberechtigung von Männern und Frauen“, „Kinder, Schule und Ausbildung“. Eine bespielhafte Initiative.
In dieser angeregten Diskussion kam das Thema „Willkommenskultur“ leider etwas zu kurz. Gerne hätten wir Fragen wie „Sind die Bilder der Willkommenskultur eine Ursache der Flucht?“ oder „Kann ein Staat sich aussuchen, wie viele und welche Flüchtlinge er aufnehmen möchte? Wäre das unmoralische Willkür?“. Leider reichte die Zeit dazu nicht.
„Gertrud hilft“ ist stolz darauf, dass der zwei- bis dreimal pro Jahr stattfindende Runde Tisch so großen Anklang findet. Deshalb ist der nächste Runde Tisch bereits in der Planung. Er findet am Montag, 11. September 2017 in der Zeit von 18:00 bis 19:30 Uhr im Gemeindesaal der St. Gertrud Gemeinde statt. Das Thema steht noch nicht fest.
Ulf Andresen
Juni 2017