Neuer Computerraum in der Unterkunft Freiligrathstraße

Im Zuge des Erweiterungsbaus in der Freiligrathstraße wurden „Gertrud hilft“ von „fördern & wohnen“ Ende des Jahres 2016 weitere Räume zur Verfügung gestellt. Damit ist es unter anderem möglich geworden, Parallelveranstaltung durchzuführen oder auch während des Deutschunterrichtes eine Kinderbetreuung anzubieten.

Aufgrund dieser exzellenten Raumsituation konnte ein Projekt in Angriff genommen werden, das lange angedacht war, aber wegen der vorherigen Raumsituation nicht realisiert werden konnte: Die Einrichtung eines Computerraumes. Nun musste aber die nächste Frage beantwortet werden: Wie sollte dieses Vorhaben finanziert werden?

Wir wussten, dass die Stadt Hamburg einen Integrationsfonds zur Verfügung gestellt hatte. Also wurde ein gut begründeter Antrag gestellt. Die Antwort kam prompt: Wir sollten uns an den zuständigen Bezirk wenden. Also wurde ein neuer Antrag an den Bezirk Nord gerichtet. Nach einigen Nachfragen des Bezirkes wurde der Antrag schneller als gedacht genehmigt.

Die Ausstattung konnte beschafft werden, eine zusätzliche Leitung musste in der Unterkunft von einem ausgewählten Provider gelegt werden – was trotz vieler Verzögerungen durch den Provider letztendlich gelang. Sechs Computer wurden aufgebaut und konfiguriert. Im Mai 2017 wurde der Raum eröffnet.

Auf den Computern steht Lernsoftware bereit, um den Deutschunterricht und die Hausaufgabenhilfe zu unterstützen und zu verbessern. Daneben sind andere Lernanwendungen denkbar, zum Beispiel Software zur Unterstützung der Führerscheinprüfung oder sogenannte audiodigitale Lernsysteme in Form von Tiptoi-Vorlesebüchern, die den Lernspaß der Kinder besonders fördern. Außerdem kann die Nachhilfe von Jugendlichen mit Computern professionell unterstützt werden.

Mit Hilfe der Computer und eines zusätzlichen WLAN-Hotspots im Außenbereich haben die Flüchtlinge darüber hinaus die Möglichkeit, den per E-Mail oder Skype Kontakt zu ihren Freunden und Familien in aller Welt herzustellen. Dies ist ein wichtiger Aspekt bei der Unterstützung der Integration.

Der Computerraum ist zu bestimmten Zeiten geöffnet. Es ist eine ehrenamtliche Aufsicht vor Ort, die auch leichte Hilfestellung bei der Nutzung geben kann.

Wir würden gerne zusätzliche Öffnungszeiten anbieten, benötigen dazu aber weitere ehrenamtliche Unterstützung. Für diese Tätigkeit reichen Computer-Grundkenntnisse aus. Wir suchen aber auch Menschen, die Computerkurse für die Geflüchteten anbieten.

Wenn Sie sich vorstellen können, uns in diesen Bereichen zu unterstützen, melden Sie sich bitte unter Angabe der möglichen Zeiten unter info@gertrud-hilft.de oder telefonisch unter 01577 5296365.

Ulf Andresen
Juni 2017

„Schreibwerkstatt?“ …

… ruft mir Miriam Duijn entgegen, als ich bei der Wohnunterkunft am Lerchenfeld ankomme. Ich befestige mein Fahrrad und strahle sie an. „Ja!“, sage ich und freue mich. Die Schreibwerkstatt hat sich etabliert. Für Hussein, Mohammad, Laith und Masoud ist das regelmäßige Zusammentreffen am Mittwoch von 18 bis ca. 20 Uhr ein fester Bestandteil geworden.

Als Hussein bei einem Zusammentreffen Anfang November 2016 davon sprach, wie gern er Gedichte lese und vor allem selber schreibe und um Unterstützung dafür bat, war unsere Stunde geschlagen. Franziska und ich verspürten große Lust dazu, Hussein und weiteren interessierten Jungen beim Schreiben jeglicher Art zu helfen. Den Anfang machten Gedichte. Es folgten gesungene Balladen von Achim Reichel. Die Texte zu verstehen, erwies sich allerdings als nicht so einfach, für das Schreiben eigener Gedichte in deutscher Sprache fehlte es noch an Wortschatz.

Deshalb überlegte ich mir einen anderen Zugang für die Jungen und wählte ein Hörspiel aus. Gesprochene Dialoge würden unseren Teilnehmern das Verstehen der deutschen Sprache erleichtern. Das erwies sich als richtig. Dass uns das Hörspiel “Nathans Kinder“ viele Anstöße zum Diskutieren und zum Schreiben lieferte, war ein großer Gewinn für uns alle. Franziska und ich gingen oft beseelt nach Hause. Dieser Jude Nathan warf viele Fragen auf: „Gibt es die eine wahre Religion?“ und „Ist nicht jeder von uns zuallererst ein Mensch?“ Durch diese Impulse und Denkanstöße wurden die Teilnehmer unserer Schreibwerkstatt sehr nachdenklich. Begriffe wie “Identität“ und “Sozialisation“ wurden besprochen, in Relation zu verschiedenen Gesellschaftsformen gestellt und durch eigene Erfahrungen anschaulich gemacht.

In jeder Diskussion erleben uns die Jungen – die junge berufstätige Franziska und mich, die pensionierte Lehrerin – als streitbare, gleichberechtigt auftretende Frauen. Auch darüber sprachen wir. Uns interessiert ihr Frauenbild, das durch eine ganz andere Kultur geprägt ist. Sicher ist, dass die vier Jungen, die regelmäßig in die Schreibwerkstatt kommen, uns sehr schätzen. Unsere Zusammentreffen finden auf Augenhöhe statt. Die Atmosphäre ist sehr vertrauensvoll. Im Rahmen dieser uns allen lieb gewordenen Schreibwerkstatt begleitete Stephanie unsere vier Jungen zu einem Poetry Slam ins Ernst-Deutsch-Theater. Weil Franziska und ich nicht dabei sein konnten, erreichte uns prompt ein Foto aus dem Theater. Zur Verständigung untereinander richteten die Jungen eine WhatsApp-Gruppe ein. Sie gaben ihr den Namen “Die Besten“.

Nachdem wir das Hörspiel “Nathans Kinder“ abgeschlossen hatten besuchten wir die Vorstellung “Nathan die Weise“ im Thalia Theater an der Gaußstraße. Das war eine echte Herausforderung für uns alle, weil die Interpretation die Grundlage zwar erkennen ließ, aber eine sehr eigenwillige Darstellung des Nathans ist. Masoud empfand den Nathan als Katastrophe, Laith amüsierte sich über meine Mimik während der Aufführung, der durch eine Zahn-OP etwas beeinträchtigte Hussein schüttelte den Kopf und Mohammad war so mutig, später die Darsteller anzusprechen. Es war das Gemeinschaftserlebnis, das uns bei diesem Theaterbesuch am besten gefiel. Wir saßen anschließend noch zusammen und sprachen über das Stück.

Seit kurzem bearbeiten wir Deutsch-Prüfungsarbeiten für den Einfachen Schulabschluss (ESA), weil Masoud im Mai an den Prüfungen in allen drei Hauptfächern teilnehmen wird. Für alle ist es eine sehr gute Übung. Woran wir ab der dritten Mai-Woche arbeiten werden, besprechen wir vorher mit den Jungen. Ideen von unserer Seite gibt es genug.

Die Freude weiterzumachen ist groß.

Dagmar Lücke-Neumann, Franziska Olbricht
April 2017

Alphabetisierungskurs in der Freiligrathstraße

Seit März 2017 läuft er: Der Alphabetisierungskurs. Mit anfangs Imme Winckler, dann Wolfgang Vogl im Team arbeiten wir mit Afghanen, vier bis fünf Männer und acht bis elf Frauen. Nun ist auch noch ein serbisches Ehepaar dazugekommen. Die Altersspanne liegt zwischen Anfang 20 bis Anfang 60. Alle suchen ihr Namenschild raus und setzen sich; gern Frauen zu Frauen, Männer zu Männern. Zwei junge Frauen schwatzen gern, wie im richtigen Schulleben. Die Schüchternen werden mutiger bei Spielen, beim Schreiben an der Tafel, beim Nachsprechen.

Im Gruppenraum nebenan sind Frau Schmidtke und ihre Enkelin Jessika freiwillig da, um die Kinder der lernenden Eltern beim Spielen zu betreuen oder im Kinderwagen zu schieben, so dass wir Ruhe haben beim Lernen. Babys im Kinderwagen dürfen mit in den Lernraum, werden mal angelegt, wenn sie Hunger haben:  Eine familiäre Atmosphäre.

Eine verwitwete Mutter wird wechselseitig unterstützt von ihren Söhnen. Einer ist Bäckerhelfer und kommt nach der Frühschicht, um uns auch beim Übersetzen zu helfen. Alle bringen zuverlässig ihre Bücher von HUEBER, ihre Schreibhefte, Mappen und Stifte mit und kommen überwiegend pünktlich bei uns an. Das Gefälle von Schnelllernern (besonders jungen Frauen, die über ihre Schulkinder schon eine Vorerfahrung haben) und älteren Schülern (die sich mit der Feinmotorik beim Schreiben, mit den fremden Vokalen und Umlauten und mit der Aussprache schwertun) ist groß. Inzwischen gibt es zum schriftlichen Arbeiten im Schreiblernbuch von HUEBER noch Zusatzmaterial für die schnellen Lerner. Einige arbeiten vor und zeigen ihre Seiten stolz. Andere sind im deutlichen Rückstand. Noch differenzieren wir nicht in zwei Gruppen, weil die Teilnehmer so liebevoll aufeinander eingehen und das mittlere Tempo angenommen wird.

Es sind jetzt die Buchstaben A, E, O, B, F, M, N, P, S, T gefestigt, so dass Kombinationen  An-na, Ot-to, An-na-nas, Ba-na-ne, So-fa (Buchstabenwäscheleine mit Schieben der Buchstaben zu Silben und Wörtern) eingeübt werden können. Satzmuster werden im Spiel oder mit Bildern im Buch erarbeitet. Mein rechter Platz ist leer, ich wünsche mir die Leyla her. Oma und Opa sitzen auf der Bank. Das Gras ist grün. Farben und Zahlen, Uhrzeiten und Richtungen werden durch Roboterspiele, selbst gelegte Uhren auf Pappscheiben mit Zahnstocher-Zeigern  eingeübt. Bei Aldi gab es die Buchstabenkekse ‚Russisch Brot‘ – der Renner. Ein Buchstabe wird hochgehalten, wer ihn zuerst rät, darf ihn essen: Von Hand zu Mund zu Bauch zu Kopf, lachen wir.

Von groß zu mittel zu klein, so wird das Schreiben geübt. Luftbuchstaben mit Gymnastik im Stehen imitieren, die die Lehrer vorschreiben, dann an der Tafel die Riesenbuchstaben ausmalen. Buchstaben turnen. Ein A wird mit der Körpersäule und schräg nach unten abgespreizten Armen gezeigt, ein O ist ein runder Armkreis vor dem Bauch etc. Dann erst wird ins Buch geschrieben.

Bei einigen älteren Kursteilnehmern ergab sich recht schnell das Problem, dass die Augen das Schreiben von kleinen Buchstaben nicht unterstützen konnten, so dass wir einen Kontrolltermin beim Augenarzt angeregt haben. Frau Hostert von Fördern & Wohnen hat prima weitergeholfen. Stolz zeigt uns Ra. sein Brillen-Rezept in der nächsten Stunde.

Singen hat auch seinen Platz im Unterrichtsprogramm: Morgenlied, Viva La Musica, ABC-Lied, Alle meine Entchen (das können die jungen Frauen durch ihre kleinen Kinder im Kindergarten), 10 kleine Indianer mit Fingerzeigen und rückwärts … Nun sind Wolfgang und ich dran: Wir lernen ein afghanisches Wiegenlied, das uns ein Vater und drei Mütter vorsingen. Nach zwei Stunden können wir erst eine Zeile gut, schwer vom Text her und von der chromatischen Melodie! Daran haben nun alle Schüler ihre Freude! Und uns Lehrern macht der Unterricht mit diesen offenen, freundlichen und sehr humorvollen Menschen einen Riesenspaß!

Annette Andresen
April 2017

Frühlingserwachen – Gartenprojekt in der BEF15

Herrlich warmes Wetter, 4. April 2017 um 4 Uhr nachmittags. T-Shirts, kurze Hosen bei den Jungen.

120 Liter Gartenerde hatte Anja, die Hauswirtschaftsleiterin, mit den Jungen aus der Wohnunterkunft am Lerchenfeld  schon besorgt. Der vom Winter trockene, mit Laub und Schoten des Robinienbaums übersäte Rasen vor dem Haus war gesäubert. Drei sportliche, junge Gartenfans und wir beiden Gartenfrauen ergriffen die Spaten, Harken und Schubkarre und legten los. Aus unserem Beet vom letzten Jahr musste die alte Sanderde raus, um in dieselbe Senke die dunkle, humose Erde zu verbringen. Auf dem Wochenmarkt am Immenhof erstanden wir  leuchtende Frühlingsblüher: gelbe, rostfarbene und tiefblaue Schweizer Riesen, Bellis, Vergissmeinnicht, weiße Schleifenblumen, lila Levkojen. Es entstand ein kunterbuntes, vergnügtes Frühlingsbeet!

Und nun wässern!

Der Gartenschlauch wurde wieder angeschlossen. Satt wurden die im Januar eingepflanzten Weihnachtsbäume getränkt. Die Hortensien, die wir im Sommer gesetzt hatten, haben tatsächlich wieder ausgeschlagen und den Winter überstanden! Und die prächtigen Narzissen und Tulpen, deren Zwiebeln wir am Zaun im Herbst gesetzt hatten, bekamen einen Extra-Schwall Wasser.

Ja, aber die Kaninchen! Die hatten im letzten Jahr unser komplettes Gemüsebeet verspeist!

Eine kleine Rolle Kaninchendraht rundum und oberdrüber, sperrige Stiele von einem Riesenunkraut als Wehr wurden ins Beet gesetzt. Sieht jetzt aus wie eine Blumenfestung. Aber noch sind alle Blüten unversehrt!

Die gemeinsame Wasserspritzerei aus dem Schlauch toppte den Tag. Sehr ausgelassene, glückliche Jungen! Ende April wollen wir ein Staudenbeet anlegen. Wir berichten wieder.

Inge Volk, Annette Andresen

Nächster Termin Runder Tisch: 11. September 2017

Liebe Freunde und Freundinnen von „Gertrud hilft“,

wir laden zum nächsten Runden Tisch ein: am Montag, 11. September 2017 in der Zeit von 18:00 bis ca. 20:00 Uhr
im Gemeindesaal der St. Gertrud Kirche, Immenhof 12.

Neben einem Bericht über die Unterkünfte Freiligrathstraße und BEF15 am Lerchenfeld möchten wir mit Ihnen über das Thema „Wie verändert sich die Arbeit mit Geflüchteten?“ ins Gespräch kommen. Wir wollen darüber diskutieren, wie sich unsere ehrenamtliche Tätigkeit seit 2015 verändert hat und sich aller Voraussicht nach in nächster Zeit weiter verändern wird und wie wir uns darauf vorbereiten können.

Wir freuen uns, für dieses Thema mit Mischa Helfmann einen Experten gewonnen zu haben, der uns in dieses Thema einführen wird. Mischa Helfmann ist beim Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Hamburg-Ost für den Bereich „Migration und Asyl“ zuständig und seit mehreren Jahrzehnten in der Flüchtlingsarbeit tätig.

Und wir freuen uns Sie und eine rege Diskussion mit allen Teilnehmern.