Der Runde Tisch von „Gertrud hilft“ am 24. Februar 2020

Der Runde Tisch von  „Gertrud hilft“ am 24. Februar 2020

Windböen und wilder Schneeregen haben knapp 30 ehrenamtliche Helferinnen und interessierte Nachbarn nicht gehindert, am Montagabend zum Gemeindesaal der St. Gertrud-Kirche für den Runden Tisch „Gertrud hilft“ zu kommen. Wie jedes Jahr ist dies eine Gelegenheit für Mitarbeiter und Neugierige sich auf den neuesten Stand der Flüchtlingsarbeit im Viertel bringen zu lassen und sich mit einem Schwerpunktthema näher zu beschäftigen.

Zuerst der neueste Stand:

Frau Remek vom Bezirksamt Nord stellte die Gesamtsituation in HH-Nord dar. Es gibt hier nur noch eine Erstunterkunft, aber 21 Wohnunterkünfte (WUK) mit insgesamt 5177 Bewohnern, eine davon ist das besondere Haus für 88 schutzbedürftige Frauen mit ihren Kindern. 480 Ehrenamtliche sind in diesen Wohnunterkünften tätig – eine beachtliche  Anzahl, wie  Frau Remek mit einem ausdrücklichen Dank an alle Aktiven unterstrich. Sachausgaben werden weiterhin vom Internationalen Bund erstattet, aber zusätzlich gibt es neu einen Fond von 50.000 €, die für Qualifizierung von ehrenamtlichen Helfern bestimmt sind, um deren Arbeit zu erleichtern.

In der WUK Freiligrathstraße gab es keine Veränderungen. Donnerstagscafé, Hausaufgabenhilfe und andere ehrenamtliche Angebote laufen seit langem. Regina Hostert, eine Sozialmanagerin der WUK, konnte aber mit konkreten Zahlen auf die Wichtigkeit des Schwerpunktthemas hinweisen: von den 368 Bewohnern sind 48 Jugendliche, die in der Phase des Übergangs von der Schule in den Beruf sind. In dieser WUK sind knapp 40 Ehrenamtliche tätig.

Von der WUK Averhoffstraße berichtete Sozialmanager Denis Lovlinski vom neuen PC-Raum (eingerichtet von „Gertrud hilft“), in dem auch schon die ersten Computerkurse stattfinden. 51 Ehrenamtliche engagieren sich in dieser WUK in verschiedenen Projekten.

Das Schwerpunktthema:

Ausbildungs- und Berufssuche von jugendlichen Geflüchteten

Franziska Battes berichtete von ihrer Arbeit in der „Jugendberufsagentur (JBA)“ für die Zeit nach der Schule. In den Schulen nämlich erreichen die Berufsberater ab der 8. Klasse alle Jugendlichen, mit Unterricht, Schulpraktika und Einzelberatung. Das Problem beginnt danach, wenn Jugendliche aus der Schule kommen und den Weg zur Ausbildung nicht alleine finden. Da es dafür sehr unterschiedliche Gründe geben kann, arbeiten hier Sozialarbeiter, Psychologen, Berufsberater, Verwaltungsbeamte und andere zusammen, so dass jeder Jugendliche sofort an die richtige Hilfsperson weitervermittelt wird. Geflüchtete Jugendliche sind eine kompliziertere Gruppe, da es auf ihren Aufenthaltsstatus ankommt, welchen Weg sie einschlagen können.

Grundsatz – so betonte Frau Battes – ist das Gespräch: Keiner wird allein gelassen, alle werden begleitet. Dementsprechend individuell sind die Bedürfnisse: Mangelnde Sprachfähigkeiten, familiäre Probleme oder Unsicherheit über das eigene Können. Die JBA hat jeweils Spezialisten zur Lösung von Problemen und eine Vielfalt von Kursen und Beratungen im Angebot.

Die zweite Referentin des Abends, Ulrike Schmidt, angestellt u.a. in der Handelskammer, schilderte eine der Möglichkeiten, Geflüchteten (nicht nur Jugendlichen) in die Ausbildung zu helfen: Die Einstiegsqualifizierung EQ. Sie vermittelt zwischen Unternehmern und Jugendlichen Langzeitpraktika von sechs bis zwölf Monaten – drei Wochentage Betrieb, zwei Tage Berufsschule. Die Handelskammer hat sie eingerichtet, damit die Geflüchteten einen profunden Einblick in die Alltagsrealität des von ihnen gewünschten Berufs erhalten. Diese unterscheidet sich in Deutschland – auch in denselben Berufen – oft ganz erheblich vom Berufsleben in den Heimatländern. So seien z.B. Schichtdienst, Samstagsarbeit bei Verkäufern, IT-Benutzung häufig in den Heimatländern unbekannt.  Am Ende sind die EQs oft der Einstieg in die Ausbildung im selben Betrieb. Voraussetzung für die Teilnahme ist ein B1-Sprachabschluss, ein konkreter Berufswunsch und Arbeitsmarktzugang vom Aufenthaltsstatus her. Es gibt auch eine – geringe – Bezahlung.

Gefragt nach den Anforderungen, die deutsche Betriebe an Geflüchtete stellen, nannte Frau Schmidt neben Zuverlässigkeit und Pünktlich-keit in erster Linie die Sprache. Denn die bestandenen Deutsch-Abschlussprüfungen von A 1 bis C 1 garantierten noch nicht, dass ein Geflüchteter im Berufsalltag die Fachsprache und die übliche Umgangssprache wirklich versteht, da sie kulturabhängig ist. Auch dass Englisch in vielen Berufen die Berufssprache ist, sei oft unbekannt.

Beeindruckend war an beiden Referaten für uns Zuhörer, wie viele Beratungs- und Qualifizierungsangebote es in Hamburg gibt – auf den ersten Blick unüberschaubar. Deshalb verwiesen beide Referentinnen auf ihre Links und Online-Angebote, so wie Sie sie anschließend auch hier finden.

https://www.jba-hamburg.de/Kontakt/JBA-Standorte-31

https://ichblickdurch.de/

https://www.kfz-innung.hamburg/kfz-mechatroniker

https://www.einwanderer.net/uebersichten-und-arbeitshilfen/

www.hk24.de/eq

Nach so viel Informationsaufnahme hatten wir alle das Bedürfnis miteinander über das Gehörte zu sprechen – und einfach Hunger und Durst. Deshalb gehören die Gespräche beim bunten Buffet nach dem offiziellen Programm des Runden Tisches inzwischen immer dazu.