Alphabetisierungskurs in der Freiligrathstraße

Seit März 2017 läuft er: Der Alphabetisierungskurs. Mit anfangs Imme Winckler, dann Wolfgang Vogl im Team arbeiten wir mit Afghanen, vier bis fünf Männer und acht bis elf Frauen. Nun ist auch noch ein serbisches Ehepaar dazugekommen. Die Altersspanne liegt zwischen Anfang 20 bis Anfang 60. Alle suchen ihr Namenschild raus und setzen sich; gern Frauen zu Frauen, Männer zu Männern. Zwei junge Frauen schwatzen gern, wie im richtigen Schulleben. Die Schüchternen werden mutiger bei Spielen, beim Schreiben an der Tafel, beim Nachsprechen.

Im Gruppenraum nebenan sind Frau Schmidtke und ihre Enkelin Jessika freiwillig da, um die Kinder der lernenden Eltern beim Spielen zu betreuen oder im Kinderwagen zu schieben, so dass wir Ruhe haben beim Lernen. Babys im Kinderwagen dürfen mit in den Lernraum, werden mal angelegt, wenn sie Hunger haben:  Eine familiäre Atmosphäre.

Eine verwitwete Mutter wird wechselseitig unterstützt von ihren Söhnen. Einer ist Bäckerhelfer und kommt nach der Frühschicht, um uns auch beim Übersetzen zu helfen. Alle bringen zuverlässig ihre Bücher von HUEBER, ihre Schreibhefte, Mappen und Stifte mit und kommen überwiegend pünktlich bei uns an. Das Gefälle von Schnelllernern (besonders jungen Frauen, die über ihre Schulkinder schon eine Vorerfahrung haben) und älteren Schülern (die sich mit der Feinmotorik beim Schreiben, mit den fremden Vokalen und Umlauten und mit der Aussprache schwertun) ist groß. Inzwischen gibt es zum schriftlichen Arbeiten im Schreiblernbuch von HUEBER noch Zusatzmaterial für die schnellen Lerner. Einige arbeiten vor und zeigen ihre Seiten stolz. Andere sind im deutlichen Rückstand. Noch differenzieren wir nicht in zwei Gruppen, weil die Teilnehmer so liebevoll aufeinander eingehen und das mittlere Tempo angenommen wird.

Es sind jetzt die Buchstaben A, E, O, B, F, M, N, P, S, T gefestigt, so dass Kombinationen  An-na, Ot-to, An-na-nas, Ba-na-ne, So-fa (Buchstabenwäscheleine mit Schieben der Buchstaben zu Silben und Wörtern) eingeübt werden können. Satzmuster werden im Spiel oder mit Bildern im Buch erarbeitet. Mein rechter Platz ist leer, ich wünsche mir die Leyla her. Oma und Opa sitzen auf der Bank. Das Gras ist grün. Farben und Zahlen, Uhrzeiten und Richtungen werden durch Roboterspiele, selbst gelegte Uhren auf Pappscheiben mit Zahnstocher-Zeigern  eingeübt. Bei Aldi gab es die Buchstabenkekse ‚Russisch Brot‘ – der Renner. Ein Buchstabe wird hochgehalten, wer ihn zuerst rät, darf ihn essen: Von Hand zu Mund zu Bauch zu Kopf, lachen wir.

Von groß zu mittel zu klein, so wird das Schreiben geübt. Luftbuchstaben mit Gymnastik im Stehen imitieren, die die Lehrer vorschreiben, dann an der Tafel die Riesenbuchstaben ausmalen. Buchstaben turnen. Ein A wird mit der Körpersäule und schräg nach unten abgespreizten Armen gezeigt, ein O ist ein runder Armkreis vor dem Bauch etc. Dann erst wird ins Buch geschrieben.

Bei einigen älteren Kursteilnehmern ergab sich recht schnell das Problem, dass die Augen das Schreiben von kleinen Buchstaben nicht unterstützen konnten, so dass wir einen Kontrolltermin beim Augenarzt angeregt haben. Frau Hostert von Fördern & Wohnen hat prima weitergeholfen. Stolz zeigt uns Ra. sein Brillen-Rezept in der nächsten Stunde.

Singen hat auch seinen Platz im Unterrichtsprogramm: Morgenlied, Viva La Musica, ABC-Lied, Alle meine Entchen (das können die jungen Frauen durch ihre kleinen Kinder im Kindergarten), 10 kleine Indianer mit Fingerzeigen und rückwärts … Nun sind Wolfgang und ich dran: Wir lernen ein afghanisches Wiegenlied, das uns ein Vater und drei Mütter vorsingen. Nach zwei Stunden können wir erst eine Zeile gut, schwer vom Text her und von der chromatischen Melodie! Daran haben nun alle Schüler ihre Freude! Und uns Lehrern macht der Unterricht mit diesen offenen, freundlichen und sehr humorvollen Menschen einen Riesenspaß!

Annette Andresen
April 2017

Frühlingserwachen – Gartenprojekt in der BEF15

Herrlich warmes Wetter, 4. April 2017 um 4 Uhr nachmittags. T-Shirts, kurze Hosen bei den Jungen.

120 Liter Gartenerde hatte Anja, die Hauswirtschaftsleiterin, mit den Jungen aus der Wohnunterkunft am Lerchenfeld  schon besorgt. Der vom Winter trockene, mit Laub und Schoten des Robinienbaums übersäte Rasen vor dem Haus war gesäubert. Drei sportliche, junge Gartenfans und wir beiden Gartenfrauen ergriffen die Spaten, Harken und Schubkarre und legten los. Aus unserem Beet vom letzten Jahr musste die alte Sanderde raus, um in dieselbe Senke die dunkle, humose Erde zu verbringen. Auf dem Wochenmarkt am Immenhof erstanden wir  leuchtende Frühlingsblüher: gelbe, rostfarbene und tiefblaue Schweizer Riesen, Bellis, Vergissmeinnicht, weiße Schleifenblumen, lila Levkojen. Es entstand ein kunterbuntes, vergnügtes Frühlingsbeet!

Und nun wässern!

Der Gartenschlauch wurde wieder angeschlossen. Satt wurden die im Januar eingepflanzten Weihnachtsbäume getränkt. Die Hortensien, die wir im Sommer gesetzt hatten, haben tatsächlich wieder ausgeschlagen und den Winter überstanden! Und die prächtigen Narzissen und Tulpen, deren Zwiebeln wir am Zaun im Herbst gesetzt hatten, bekamen einen Extra-Schwall Wasser.

Ja, aber die Kaninchen! Die hatten im letzten Jahr unser komplettes Gemüsebeet verspeist!

Eine kleine Rolle Kaninchendraht rundum und oberdrüber, sperrige Stiele von einem Riesenunkraut als Wehr wurden ins Beet gesetzt. Sieht jetzt aus wie eine Blumenfestung. Aber noch sind alle Blüten unversehrt!

Die gemeinsame Wasserspritzerei aus dem Schlauch toppte den Tag. Sehr ausgelassene, glückliche Jungen! Ende April wollen wir ein Staudenbeet anlegen. Wir berichten wieder.

Inge Volk, Annette Andresen

Nächster Termin Runder Tisch: 11. September 2017

Liebe Freunde und Freundinnen von „Gertrud hilft“,

wir laden zum nächsten Runden Tisch ein: am Montag, 11. September 2017 in der Zeit von 18:00 bis ca. 20:00 Uhr
im Gemeindesaal der St. Gertrud Kirche, Immenhof 12.

Neben einem Bericht über die Unterkünfte Freiligrathstraße und BEF15 am Lerchenfeld möchten wir mit Ihnen über das Thema „Wie verändert sich die Arbeit mit Geflüchteten?“ ins Gespräch kommen. Wir wollen darüber diskutieren, wie sich unsere ehrenamtliche Tätigkeit seit 2015 verändert hat und sich aller Voraussicht nach in nächster Zeit weiter verändern wird und wie wir uns darauf vorbereiten können.

Wir freuen uns, für dieses Thema mit Mischa Helfmann einen Experten gewonnen zu haben, der uns in dieses Thema einführen wird. Mischa Helfmann ist beim Evangelisch-Lutherischer Kirchenkreis Hamburg-Ost für den Bereich „Migration und Asyl“ zuständig und seit mehreren Jahrzehnten in der Flüchtlingsarbeit tätig.

Und wir freuen uns Sie und eine rege Diskussion mit allen Teilnehmern.